Freitag, 5. September 2019
Lepra ist eine hinterhältige und zerstörerische Krankheit. Verursacht wird sie durch Bakterien, welche die Nervenenden angreifen. Es kommt zu sichtbaren körperlichen Veränderungen und starken Mobilitätseinschränkungen sowie zum Verlust von Empfindungen, besonders an den Gliedmaßen. Ebenso zerstörerisch wie die körperlichen Folgen ist aber das Stigma der Leprakranken: Es trennt sie von den Gesunden und zerstört ihre Beziehungen. Auf der Fahrt von Asuncion zum Staudamm von Iguazu machen wir Halt bei Kilometer 81 und besuchen die einzige Lepraklinik Südamerikas, Hospital Mennonita km 81.
Die Hansenkrankheit
Für die Hansenkrankheit, wie Lepra auch genannt wird, sind überhaupt nur 5% aller Menschen empfänglich. Und mit einer Kombinationstherapie aus Antibiotika und Cortison sind die Erkrankten bereits nach kürzester Zeit (ca. 24 Stunden) nicht mehr ansteckend. Die Folgen, die die Krankheit hinterlassen hat, bedürfen aber einer langen und sorgfältigen Betreuung. So müssen Patienten, die kein Temperaturempfinden mehr besitzen, lernen mit Herdplatten, Feuer und der Dusche so umzugehen, dass sie sich nicht selbst damit verletzen.
Und auch das Gehen müssen Patienten wieder lernen, wenn z.B. der Fuß eine anormale Stellung angenommen hat. Manche Folgen müssen auch operativ behandelt werden, wenn z.B eine bereits weit fortgeschrittene Erkrankung orthopädische Korrekturen oder gar eine Amputation erforderlich macht.
Stigmatisierung
Die an Lepra erkrankten Menschen wurden schon von jeher aus Angst vor Ansteckung und wegen der unschön anzusehenden Symptome aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und mussten in eigenen Siedlungen leben bzw. dahinvegetieren, die von allen Gesunden gemieden wurden.
Leider ist auch heute die weitestgehend unbegründete Angst vor dieser Krankheit und der Ansteckung damit immer noch vorhanden.
So berichteten die Gründer der Lepraklinik südlich von Asuncion, dass sie, als sie mit dem Aufbau der Klinik begannen, beinahe mit Gewalt von Anwohnern vertrieben worden wären. Und auch heute noch kommt es vor, dass Taxi- oder Busfahrer sich weigern, Menschen zu der Klinik zu transportieren. Die Angst vor dieser gemeinen Erkrankung sitzt tief.
Die Entstehung der Klinik
Die in den Jahren 1945 bis 1948 aus Russland eingewanderten Mennoniten fassten den Plan, dem Land Paraguay, das sie freundlich aufgenommen hatte, etwas zurückzugeben. Mit Unterstützung des Arztes Dr. John R. Schmidt und seiner Frau Clara, von Beruf Krankenschwester, begannen sie, Spenden zu sammeln und die Klinik auf einem großen Grundstück bei km 81 aufzubauen.
Ein neues Modell
Diese Pioniere entwickelten ein neues, ambulantes Behandlungsmodell für Lepra. Statt die Erkrankten zu internieren und damit auszugrenzen, besuchten sie die Patienten und ihre Familien zuhause, sorgten für die notwendige Behandlung und gleichzeitig für nicht minder erforderliche Aufklärung der Angehörigen und Nachbarn.
Die Klinik verfügt über eine ganze Reihe von Behandlungseinrichtungen, so z.B. für Physio- und Arbeitstherapie, eine orthopädische Schusterei mit einer Prothesenwerkstatt, aber auch über eine Apotheke, bei der Medikamente für die ambulante Behandlung geholt werden können, eine Röntgenabteilung sowie einen Operationsraum.
Mittlerweile werden dort auch AIDS-Erkrankte oder Diabetiker behandelt. Diese Erkrankungen bedürfen – ähnlich wie Lepra – einer gründliche Information und Schulung der Betroffenen und ihrer Angehörigen.
Das Modell, nach dem Hospital km 81 arbeitet, ist inzwischen weltweit anerkannt. Ärzte und Pflegekräfte kommen von weither, um sich vor Ort zu informieren und die Arbeitsweise der Klinik kennen zu lernen. Inzwischen wird diese Form der ambulanten Behandlung an vielen Kliniken in anderen Ländern praktiziert.
Im Dienst der Liebe
Bei diesem Besuch wurde uns deutlich, wie stark die vom Evangelium abgeleiteten Werte die Klinik geprägt haben und heute noch überall dort präsent sind: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (am besten dazu alle Verse aus 1. Korinther 13 lesen).
Mit professioneller, wissenschaftlich fundierter Arbeit und mit großer Hingabe wird den Betroffenen effektiv und nachhaltig gedient. Diese besondere Liebe im Dienst am Menschen wird uns an diesem Ort spürbar und erfahrbar. Wir verließen Kilometer 81 mit einem starken Empfinden von Dankbarkeit und Hoffnung.